Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Bartholomäus Latomus von Arlon

1485 - 1570


1526 begleitete Bartholomäus Latomus die Brüder Johann Ludwig und Wolfgang von Hagen als Erzieher nach Köln, wo er sich an der juristischen Fakultät einschrieb und darauf an der Universität wie auch an der Montanerburse Rhetorik lehrte und Literaturvorlesungen über Titus Livius, Cicero und Dialektik hielt. Zu dieser Zeit veröffentlichte er dort die meisten Handbücher für dieses Fach. Darüber hinaus fertigte Latomus damals seinen Kommentar zu den Reden Ciceros und Titus Livius an. Bald schon ging Latomus, vom hervorragenden wissenschaftlichen Ruf des Collegium Trilinguae angezogen für einige Monate nach Löwen, wo er Vorlesungen beim berühmten Humanisten Adrian Barland hörte, bevor er sich Anfang des Jahres 1531 bis zum Tode seines Gönners und Förderers, Kurfürst Richard von Greiffenklau, wiederum kurz in Trier aufhielt.

1533 erhielt Bartholomäus Latomus einen Lehrstuhl für Rhetorik am berühmten Collège Stainte-Barbe in Paris, wo ihn der Portugiese André de Gouvéa, der Latomus bereits dringlichste erwartet hatte, nunmehr eifrig empfängt. Hier in Paris, das schon seit einiger Zeit zur Hauptstadt er Intelligenz des Okzidents geworden war, publizierte Latomus mehrere bedeutende Kommentare zu Werken lateinischer Autoren und wurde innerhalb kurzer Zeit zu einer der herausragendsten Gestalten der Pariser Philologie.

Nach dem Frieden von Cambrai am 5. August 1529 war es Franz I., der schon lange neidisch auf die großen humanistischen Kollegs, wie das Kolleg von Alcalà, das Corpus Christi College in Oxford oder das bereits erwähnte Collegium Trilingue in Löwen, die beinahe überall in Westeuropa zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstanden waren, blickend, endlich möglich, nachdem sein eigenes Projekt ein ähnliches Institut auch in seiner Hauptstadt zu errichten lange, zuerst durch die etwas undurchsichtig erscheinende hinhaltende Zögern seitens Erasmus dann der dauernden Kriege des Königs wegen, beständig in Frage gestellt war, schließlich auf den drängenden Empfehlungen  Guillaume Budés zu folgen und sechs königliche Lektoren, zwei für griechisch, drei für Hebräisch und einen weiteren für Mathematik, für das Collège Royal zu ernennen. Diese Gründung war der Todesstoß für die Scholastik der Sorbonne. Die Sorbonne ahnte dies und sollte letztlich in dieser Ahnung nicht getäuscht werden. Kampflos wollte man sich aber nicht geschlagen geben. Der folgende Kampf war um so heftiger, da die Atmosphäre durch die allgemeinen religiösen Streitigkeiten sowieso schon zutiefst vergiftet war. Der Widerstand seitens der Universität wuchs insbesondere, als die Tatsache bekannt wurde, man wolle den schon existierenden Lehrstühlen noch einen weiteren für Rhetorik hinzufügen, für den man zudem noch einen ohnehin der Häresie verdächtigen Deutschen, die a priori suspekt waren, zu berufen beabsichtige. Gestützt auf den Kardinal von Lothringen, konnte Budé seinen Kandidaten gegen alle Intrigen durchsetzen, so dass Latomus zu Beginn des Semesters 1534 seine Antrittsvorlesung für das Collège Royal im Collège Sainte-Barbe hielt, weil die junge königliche Stiftung noch über keine eigenen Räumlichkeiten verfügte.

Der Professor für Eloquenz zog schon bald Massen von Studenten an, die aus ganz Europa zu seinen Vorlesungen und Kursen strömten, wo sich nun die hervorragendsten Geister wie der französische Humanist François Rabelais, der Dichter Clément Marot, der Genfer Reformator Jean Calvin, der spätere Ordensgründer Ignatius von Loyola, der Philosoph und Logiker Pierre de la Ramée und selbst so bedeutende Persönlichkeiten wie Kardinal Jean du Bellay und die Schwester des Königs selbst, Marguerite d’Angoulême vor seinem Katheder trafen. Zudem unterhielt Latomus, der damals sicherlich wie viele Humanisten in einem gewissen Grade zu den gemäßigten Ansichten der französischen Reformation neigte, einen regen Briefwechsel mit Philipp Melanchthon, Jakob Sturm und nicht zuletzt dem Historiker Johannes von Schleiden. 

© André & Frank Hagemann, 2007