Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Guillaume de Briçonnet

1470 - 1534


Guillaume Briçonnet wurde 1470 in Paris als Sohn des Finanzministers und Erzbischof von Narbonne, Kardinal Guillaume de Briçonnet, geboren. Er starb am 24. Januar 1534 auf Schloss Esmant bei Montereau. Bis zu seinem Eintritt in den geistlichen Stand, nannte Guillaume Briçonnet sich Graf von Montbrun. Sein Theologiestudium absolvierte Briçonnet in Navarra. 1489 wurde er in Nachfolge seines Vaters Bischof von Lodève (Hénault) und folgte ihm 1597 auch als Abt von St.-Germain-des-Prés in Paris nach. Briçonnet zeichnete sich durch ein schnelles Urteilsvermögen und eine gute Auffassungsgabe aus. 1511 nahm er gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder, der Erzbischof von Toulouse war, am schismatischen profranzösischen Konzil von Pisa, dessen Ziel es war, den machtgierigen und verweltlichten Medicipapst Julius II. zu stürzen,  teil. 1516 ernannte ihn Franz I. zum Bischof von Meaux. Zwei Jahre verbrachte Briçonnet an der römischen Kurie als Gesandter bei Leo X. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen, bemühte sich Briçonnet ernstlich um eine sittliche wie religiöse Erneuerung seiner Diözese. So versammelte Briçonnet von 1521 an einen Kreis Reformtheologen um sich, zu denen Guillaume Farel, François Vatable, Gérard Roussel, Mazurier, Caroli und sein großer Lehrer Jacques Lefèbvre d’Etaples, den er zu seinem Generalvikar ernannte, gehörten. Ziel dieses theologischen Kreises, der einen großen Einfluss auf die verschiedenen Humanisten und Schriftsteller ihrer Zeit, allen voran auf Marot und Rabelais, ausübte, war eine Reform der Kirche aufgrund des Evangeliums, wozu man zunächst eine Übersetzung des Neuen Testaments ins Französische anstrebte. Noch im selben Jahr wurde Briçonnet Beichtvater von Marguerite d’Angoulême, der Schwester des französischen Königs und späteren Königin von Navarra, mit der er bis 1524 eine rege Korrespondenz unterhielt. Guillaume Farel, Gérard Roussel und andere Mitglieder seines Zirkels beauftragte Briçonnet damit, in seinem Bistum zu Predigen und die französische Übersetzung der Evangelien und Episteln für Sonn- und Feiertage zu verbreiten. Sein Evangelium, das die Hüter der theologischen Tradition an der Sorbonne zutiefst beunruhigte, beruhte auf Glaube und Liebe. Briçonnet ging bei seinen Reformbemühungen umsichtig zu Werke und achtete peinlich darauf, nicht den Eindruck zu erwecken, bei der von ihm angestrebten Reform gehe es eigentlich um die Einführung der Lutherischen oder Reformierten Lehre. 1523 wurde Briçonnets Kirchenlehre und seine Konzeption des allgemeinen Priestertums verurteilt. Die eingangs erwähnte Verbreitung einer französischer Evangelienübersetzungen im Rahmen der Katechese unterband er jedoch niemals. Die mit beinahe absolutistischer Willkür über die Orthodoxie wachende Sorbonne schuf im Frankreich jener Zeit ein derart reaktionäres Klima, dass selbst dieser milde an der Lehre der Kirche orientierten Reform keinerlei Raum zur Entfaltung ließ. Sie nutze ihre Zensurgewalt aus, verbot im Grunde jede Verbreitung humanistischen, reformierten oder auch nur reformorientierten Gedankengutes und beendete das Wirken des Zirkels von Meaux 1526, nachdem 1525 der Franziskanerorden Klage vor dem Pariser Parlament gegen ihren Ortsbischof eingereicht hatte. Das Parlament entsandte daraufhin eine Untersuchungskommission nach Meaux, die nach zahllosen Verhören schließlich vor allem Lefèbvres Bibelübersetzung verdammte und allen nicht in der Diözese ansässigen Predigern ein generelles Predigtverbot auferlegte. Lefèbvre und andere flohen infolgedessen nach Straßburg. Guillaume Briçonnet wurde vorerst vom König geschützt, jedoch wurde sein Prozess während der Haft Franz I. in Spanien wieder aufgenommen. Briçonnet sagte sich nunmehr von den Lutheranern los. Sein Prozess wurde nach einem Brief an das Parlament, worin er sich seinem Urteil unterwarf, eingestellt. 1528 beteiligte sich Briçonnet an der Synode von Paris, auf der die Luthers Lehren formell verurteilt und die weltlichen Autoritäten zu Verfolgung jedweder Ketzerei aufgerufen wurden.

© André & Frank Hagemann, 2007