Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Louis de Berquin

1485 - 1529


Der Prozess wurde zügig zu Ende geführt. „Die besagten Kommissare gingen mit großer Eile an seinen Prozess heran, so dass an besagtem Freitag, dem 16. April 1529, nach Ostern das Urteil auf lateinisch gesprochen wurde.” Michelet spricht von einem beinahe milde zu nennenden, politischen Urteil. Milde? Urteilen wir selbst. Das Urteil lautete folgendermaßen. Berquin sollte seinen Irrtümern auf dem Vorplatz von Notre-Dame abschwören und all seiner akademischen Titel verloren gehen. Darüber hinaus sollte seine Zunge durchstochen und er mit einer Lilie auf der Stirn gebrandmarkt werden. Endlich wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt und über ihn ein Lese- und Schreibverbot verhängt. Selbstverständlich sollten auch seine Bücher, wie auch die Male zuvor, verbrannt werden. Übrigens erklärt das, warum seine Werke heute nicht mehr zu finden sind.

Und dann, folgte bühnenreife Theatralik. Berquin legte Berufung ein, obwohl er als Jurist wissen musste, dass er dazu nicht berechtigt war. Um das zu verstehen muss man sich in die Lage Berquins hineinversetzen. Wenn man die Aussagen mancher Autoren über Berquin liest, so erhält man von ihm oftmals den Eindruck, er sei ein unverantwortlichen Angeber, ein Choleriker, bloß ein Snob gewesen der sich wegen seines Standes und seiner freundschaftlichen Beziehung, die ihn mit dem König verband, für etwas besseres hielt. Wie dem auch sei, war so überschätzte er sich, seine Fähigkeiten und wohl auch seinen Einfluss doch maßlos. Das sollte ihn letztlich dazu gebracht haben, seinen Richtern mutig und mit aller Verachtung, die er für ihre Feigheit angesichts der königlichen Gewalt empfand, entgegenzutreten und sie tatsächlich herauszufordern. Jeder kann sich hierzu seine eigene Meinung bilden. Diese Sicht scheint jedoch die Wahrheit erheblich zu verkürzen. Sie folgt im Grunde der Haltung seiner Ankläger, für die, ganz im Sinne Bédas, jede neue Idee eine Idee darstellt, durch welche die Autorität herausfordert wird. Eine Sache zumindest scheint klar. Berquin war der tiefen Überzeugung, im Recht zu sein. Die Vernunft stand auf seiner Seite, und er wusste das. Aber das eigentliche Spiel wurde woanders gespielt, nicht im Gerichtssaal. Zudem muss man sich die Frage stellen, ob die theologische Debatte überhaupt eröffnet wurde? Man verurteilte Berquin, weil er verbotene Bücher besaß, wodurch der undurchsichtige „Fund“ Bédas überhaupt erst seine Bedeutung erhielt. Berquin wurde nicht wegen Häresie verurteilt. Darüber hinaus passt das Bild des naiven Hysterikers weder zu seinem reifen Alter, er war ja schließlich schon fast fünfzig, noch zu seiner militärischen Vergangenheit geschweige denn zu seiner Rolle als Rat des Königs. Und schließlich, wie sollte man hier übersehen, dass dieser Eigensinn an etwas anderes erinnert, an jenes berühmte „E pur si muove“, jenes starrköpfige „und sie dreht sich doch“ von Galilio Galilei? Und noch etwas anderes scheint offensichtlich, indem er Berufung einlegt, wählt er den Tod. Berquin entschied sich bewusst für sein Schicksal. Sein eigenes Leben auf die Waage seiner Ideen werfen, welchen schöneren Beweis für ihre Richtigkeit könnte es geben? So war Berquin letzten Endes ein Idealist.

Darauf wandelte das Gericht am folgenden Tag, dem 16. April 1529, das Urteil in die Todesstrafe um. Es sollte unverzüglich vollzogen werden. Die aufgeregte Menge die sich bald auf dem Platz de Grève drängte, um das Spektakel anzusehen, wollte natürlich auf seine Kosten kommen. Der König war mit seinem Hof in Blois und rührte sich nicht. Vielleicht war dies das Zeichen worauf die Richter warteten? Am 17. April 1529 wurde der Ritter zunächst am Galgen erhängt, was unter den gegebenen Umständen als Gnade betrachtet werden kann, woraufhin sein Leichnam verbrannt wurde. Ein Unbekannter sollte für ihn später die „Epistel für Berquin“ dichten, ein langes zweisilbiges Gedicht, dass ihn als Heiligen darstellt.

© André & Frank Hagemann, 2007