Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Louis de Berquin

1485 - 1529


Jede Epoche hat ihre Helden. Und es kommt immer wieder vor, dass man solche Menschen je nach Zeitgeist und den vorherrschenden Ideologien wieder aus der Rumpelkammer der Geschichte hervorkramt. Mit dem Chevalier Louis de Berquin ist das so geschehen. Berquin war ein glühender Kämpfer gegen die Ignoranz der Dunkelmänner der Sorbonne und wurde zum Martyrer der Humanisten schlechthin. Weder war er Protestant noch Anhänger Martin Luthers, wenngleich er sein Übersetzer ins Französische war. Dagegen stand er mit Erasmus in engem Briefkontakt, dessen Werke er übersetzte und wurde dafür zum Ziel und Opfer der Angriffe von Seiten Noel Bédas, dem Syndikus der Sorbonne. Dieser sah, mit dem Kampf gegen häretische Ideen in Frankreich beauftragt, in Berqiun einen Verbreiter dieser „Unordnung der Gedanken“. Aus seinem Blickwinkel betrachtet, hatte er damit sogar recht. Berquin als eine Arte „Filter“ der neuen Ideen zu bezeichnen, wäre vielleicht genauer, aber zwischen den beiden Männern herrschte mehr als ein Streit um Ideen. Berquin stand unter dem Schutz des Königs, dem Repräsentanten der weltlichen Macht. Béda urteilte, verurteilte und übte seine Macht im Namen der Kirche Christi, der geistlichen Macht, aus. Béda würde niemals aufgegeben haben, Berquin zu beugen. Es war für ihn eine Frage des Prinzips.

Es gibt wenige Werke, die sich mit Berquins Leben und Werk beschäftigen. Und noch weniger seiner eigenen Werke haben überlebt, was sich wohl mit der Tatsache erklärt, dass die nachfolgenden Urteile gegen ihn, ihre Vernichtung befehlen. Es existiert weltweit bloß noch ein Exemplar seiner Übersetzung der „Deklamation der Lobpreisungen der Ehe“ des Erasmus. Genauso finden sich nur noch vier seiner Übersetzungen über die dreizehn Repertorien der Forscher der theologischen Fakultät der Sorbonne. Im Sinne einer reinen Geschichtsschreibung des vorherrschenden Katholizismus durch mehrere Jahrhunderte hindurch in Vergessenheit geraten, wurde Berquin zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in eben dem Augenblick als sich Staat und Kirche trennten, von den Historikern „wiederentdeckt“. Berquin wurde auf diese Weise nun zum Bannerträger und Schutzpatron für die Ideen der laizistischen Republikaner im Namen des Kampfes zwischen dem Licht der Aufklärung und die religiöse Dunkelheit, wobei man vergisst, dass er ebenso gläubig war wie die Richter, die ihn verdammten, bloß auf andere Weise.

© André & Frank Hagemann, 2007