Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Louis de Berquin

1485 - 1529


Das Geburtsdatum Berquins ist unbekannt. Er wird wohl zwischen 1480 und 1485 in Passy bei Paris geboren worden sein, wenn man der einzig veröffentlichten Aussage hierzu glauben schenken möchte, die von einem gewissen Pierre Driart stammt. In seiner „Pariser Chronik“ schreibt Driart, dass Berquin zur Zeit seines letzten Prozesses ungefähr fünfzig Jahre alt gewesen sei. Über den Adel Berquins besteht kein Zweifel. Er war ein Spross der ritterbürtigen Familie Berquin-Jumelles, die die Burggrafschaft Cassel in Westflandern besessen hat. Die Familie stammte aus Vieux-Berquin bei Abbeville. Weil dieses Gebiet zur Diözese Arras gehörte wird er auch immer wieder Berquin Artésien,  Berquin von Artois, genannt Seine erste Karriere war die eines Soldaten. In seiner Uniform begab er sich am 16 März 1532 an die theologische Fakultät von Paris. Darüber hinaus besaß Berquin auch den juristischen Doktorgrad der Fakultät Orléans, die damals als die bedeutendste Rechtsfakultät galt und wo zahlreiche Humanisten studierten. Von 1509 bis 1512 lebte Berquin in Orléans. Er erwarb seine Diplome an der dortigen Universität, worüber es allerdings nur indirekte Beweise in Form der Verurteilung die ihn traf und die bestimmte, ihm alle akademischen Titel abzuerkennen. Warum ging er nach Paris? Darüber gibt es keinerlei Klarheit. Wahrscheinlich wollte er ähnlich wie Rabelais, Loyola und Erasmus die Vorteile der Stadt Paris als Metropole nutzen, zumal Paris damals die anerkannteste Universität in Europa besaß, wenn ihr Renommee auch, glaubt man Erasmus und den anderen Humanisten, die nach seinen Aussagen auf Heuballen sitzend die Kurse besuchten, schon ein wenig verblasst war. Die Theologie wurde sein wichtigstes Studiengebiet. Zweifellos spielte sein früherer Lehrer, der Jurist Berault, ein Humanist der mit Erasmus in engem Kontakt stand und die Welt der Pariser Drucker gut kannte, für seinen Werdegang eine hervorragende Rolle. Die Widmungen von Josse Bade, Drucker und Humanist, legen hierüber ein beredtes Zeugnis ab.

Wenn Berault und Berquin sich in ihrem sehr leidenschaftlichen Briefwechsel auch sehr nahe standen, so ist es trotzdem unmöglich zu sagen wie weit ihre Freundschaft im Grunde ging. Tatsache ist, dass Berquin, genau wie Erasmus, sein Lehrer, der ihm das Denken beigebracht hatte, bis zu seinem Lebensende unverheiratet blieb. Allerdings ist es bei weitem nicht undenkbar, sich, ähnlich wie bei Erasmus, vorzustellen, dass er männliche Liebesbeziehungen unterhielt. Man muss sich nur daran erinnern, dass Liebesbeziehungen zwischen Männern und Frauen damals grundsätzlich verdächtig waren. Folglich antwortete Erasmus zu einem Teil mit seiner „Deklamation der Lobpreisungen der Ehe“ auf diesen Verdacht. Paradoxerweise sind es ausgerechnet zwei eingefleischte Junggesellen, die dieses Werk schrieben und übersetzten. Aber man hat schwer an seiner Ironie zu schlucken, denn es handelt sich um einen avantgardistischen Kampf. Dieses kleine Werk von Erasmus und seine französische Übersetzung würden in Frankreich ein unvergleichliches Gezeter seitens der Dunkelmänner auslösen, die es wegen seiner freizügigen Darstellung, als Werk zur Verführung zur Wollust, Verleugnung des Keuschheits- und Reinheitsideals der Kirche, wegen des hierin enthaltenden indirekten Angriffs auf die monastische Regel verurteilen würden. In dieser Beziehung, sind die Frauen in Wahrheit ihre Verbündeten.

© André & Frank Hagemann, 2007