Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Louis de Berquin

1485 - 1529


Wie bei seinen humanistischen Freunden und wie bei seinem Lehrer Erasmus, führten ihn seine Studien zu einer kritischen Haltung und zur Frage nach der Wahrheit der Texte. Die äußeren Erscheinungsformen des Christentums, interessierten ihn ohne Zweifel nicht wirklich. Sein natürliches Ungestüm drängte ihn dazu, die Vertreter der reaktionären Tradition offen zu kritisieren, und von diesem Standpunkt aus erscheint die theologische Fakultät der Sorbonne offensichtlich als diejenige Institution, die es zu bekämpfen galt. Tatsächlich wurde Berquin 1523 von der Fakultät nicht nur wegen seines Bibelglaubens, oder seiner Kritik an Marienkult und Verehrung, verhaftet. Wahrscheinlich stellte ein gehässiges kleines Werk gegen die Fakultät, von der es heute keine Spur mehr gibt, den Grund für seine Verhaftung dar. Manche Historiker glauben es hätte sich um ein Buch handeln können, dass das Dogma der Jungfräulichkeit Mariens anzweifelte. Wie dem auch sei, Berquin scheint eine Persönlichkeit von festem, polemischem und nach allem auch streitsüchtigem Charakter gewesen zu sein.

Bei seiner Entlassung im August 1523 unterschrieb Berquin ein Pergament, indem er zugab, die Werke Luthers besessen zu haben. Gleichzeitig bat er darum, dass man ihm diejenigen Bücher, die nicht von diesem Autor waren, zurückzugeben, worunter sich aber auch selbstverständlich die Erasmus Werke befanden, denn Berquin war mit der Zeit, wenn auch nicht der offizielle, so doch der inoffizielle Übersetzer des gelehrten Holländers geworden. Es gibt durchaus Stimmen, die glauben, dass diese Übersetzungen, auf Anregung des Königs, der die Verbreitung der Werke dieses „Fürsten des Buchstaben“ in Frankreich betreiben wollte, zurückgehen, was natürlich die späteren Interventionen seinerseits zugunsten Berquins einfach erklären würde. Man darf jedoch die persönliche Dimension im Verhältnis zum König nicht außer Acht lassen, sein Charisma und seine Fähigkeit Menschen zu überzeugen. Die kirchlichen Autoritäten ließen am 8. August 1523 die Arbeiten Berquins auf dem Vorplatz von Notre-Dame in Paris verbrennen. Er verschwand zunächst aus Paris und zog sich wahrscheinlich in seine flämische Heimat zurück. Trotzdem gab er sich nicht geschlagen, sondern bekräftigte im Gegenteil in seinem engeren Freundeskreis, dass er letztlich die Dunkelmänner der Sorbonne dahin gebracht habe, vor den Argumenten der Wahrheit zurückgewichen zu sein.

Eine 1525 in seiner Pariser Wohnung durchgeführte neuerliche Hausdurchsuchung bewies, wie die Liste der gefundenen Bücher zeigt, dass er in der Tat der wichtigste Übersetzer der Werke von Erasmus war. Aber seine Berühmtheit schützt den Holländer bei weitem nicht davor, von den Sorbonnagres verfolgt zu werden. Er war weit davon entfernt bei den Dunkelmännern im Ruch der Heiligkeit zu stehen. Dennoch machte ihn seine Internationalität, sein Aufstieg zur unumstrittenen Autorität über der europäischen Gedankenwelt, gleichsam unberührbar. Daraus erklärt sich, dass die Hausdurchsuchung ohne Folgen blieb. Aber Berquin hörte nicht auf, seine eigene Sicht des Glaubens zu predigen. Der Bischof von Amiens erregte sich über seinen biblischen Überzeugungseifer und ließ ihn am 8. Januar 1526 auf Schloss Rambures verhaften.

© André & Frank Hagemann, 2007