Kardinal Gropper
Theologie & Geschichte

Louis de Berquin

1485 - 1529


Zu Berquins Unglück, änderte sich die politische Lage nun erneut grundlegend. Duprat hatte Provinzialsynoden zusammengerufen, die alles in allem die große Angst vor Häresien und die Erferderniss dagegen vorzugehen offenlegten. Die Schändung einer Marienstatue in der Judengasse, sei es nun ein manipulierte Tat oder nicht, führte dem König die Dringlichkeit zu handeln vor Augen, denn die Reaktion der Pariser brachte deutlich zum Ausdruck, wie sehr das Volk von Paris an seinen traditionellen Werten hing. Béda trieb die traditionellen Kräfte zusammen und hofft darauf, diesen Prozess als willkommene  Gelegenheit zu nutzen allem, was er als schleichende Häresie betrachtete, einen ebenso symbolträchtigen, wie vernichtenden Schlag zu versetzen. Schließlich sah Franz I. nach der Plünderung Roms durch die deutschen Söldner Karls V. und der Geiselnahme des Papstes eine einzigartige Gelegenheit, durch den engen Schulterschluss mit der Papstkirche die Möglichkeit, die gesamte Christenheit gegen seinen persönlichen Feind zu wenden und darüber hinaus seine, während sechs langer Monate in den Kerkern des Kaisers verbrachten demütigenden Haft, geschworenen Rache zu befriedigen. Er durfte sich nun nicht im geringsten gegen den Papst oder seine beachtliche moralische Macht wenden, die alleine ausreichte das Zeichen zur kollektiven Bestrafung Karls V. zu geben. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, kam die Affäre Berquin mehr als ungelegen.

Und tatsächlich entwickelte sich die Angelegenheit schlecht für Berquin. Bei Wasser und Brot in seine Zelle eingeschlossen, bekam er nur schlechte Nachrichten. Das „Tagebuch eines Pariser Bürgers“  berichtet ausführlich hierüber: „Dann geschah eine Sache, die man wunderlich empfand: ein Diener des Ritters fiel [vor einem Bild der Heiligen Jungfrau] in Ohnmacht als er Briefe an einige seiner Freunde mit sich trug“. Die Briefe wurden einem Dominikaner übergeben, einem „guten Mann“, der in während der Fastenzeit in St. Bartholomäus predigte, durch den sie dann zu Béda gelangten. Was war der Inhalt dieser Briefe? Aber Béda überreichte sie, man hätte es ahnen können, dem Parlament. Handelte es sich um Briefe, die Auskunft darüber gaben, wo die verbotenen Bücher in seiner Pariser Wohnung versteckt waren? Und um welche Bücher handelte es sich dabei?

Das einzige, was man weiß ist, dass „besagter Diener nichtsdestoweniger an dieser „Krankheit“ gestorben ist.“ Ist das Naivität seitens jenes Bürgers oder ein absichtlicher Hinweis? Diese unabsichtliche Hilfestellung des Schicksals schien Béda nur allzu gelegen gekommen zu sein, als dass der Historiker Michelet hier nicht eine Intrige witterte. Die Durchsuchung der Bibliothek in Abwesenheit des Betroffenen wurde auf der Stelle durchgeführt. Die verbotenen Bücher sogleich entdeckt. Man muss sich in Erinnerung rufen, dass es bei den Theologen der Sorbonne eine „die Hölle“ genannte Abteilung gab, wo alle als häretisch verurteilten Bücher gesammelt wurden. Am 13. April kam Guillaume Bude Berquin in seiner Zelle besuchen, wie es das „Tagebuch des Pariser Bürgers“ berichtet und überliefert, dass Bude ihn beschwor, sich zu unterwerfen, um einem drohenden Todesurteil zu entgehen. Aber was haben sie wirklich besprochen? Niemand wird es je wissen.

© André & Frank Hagemann, 2007